Die Lavatunnel des Ätna I

Die Lavatunnel des Ätna I

Oder: Was Odysseus auf dem Ätna gemacht hat

Wenn ihr den Ätna besucht, solltet ihr nicht nur eine Wanderung zu den unzähligen Kratern und Lavaströmen machen, sondern auch bei einem der ca. 190 Lavatunnel vorbeischauen (diese Höhlen sind über den gesamten Ätna verstreut und können so leicht bei einer Tour erreicht werden).

Wie Lavatunnel entstehen

Diese unterirdischen Tunnel entstehen während eines Ausbruchs eines Kraters: wenn ein Lavastrom langsam genug den Hang hinunterfließt, erkaltet er auf der Oberfläche und bildet eine Kruste (so wie die Haut, die sich auf einem Glas heißer Milch bildet); darunter fließt die Lava aber heiß weiter. Wenn nun der Ausbruch zu Ende ist und keine neue Lava mehr aus dem Erdinneren nachkommt, leert sich der so entstandene Tunnel. Zurück bleibt eine leere Höhle unter der Oberfläche, die oft erst viel später oder nur zufällig entdeckt wird, wie z.B. die Grotta dei Tre Livelli auf der Südseite des Ätna in der Nähe des Refugio Sapienza. Diese Grotte, die über einen Kilometer lang ist und sich auf drei Ebenen erstreckt (daher der Name), entstand beim Ausbruch von 1792 und wurde erst fast 200 Jahre später, bei Straßenarbeiten in den 1960er Jahren, zufällig gefunden.

Diese im gesamten Ätna-Gebiet verstreuten Höhlen dienten der Bevölkerung seit der Antike sowohl als nützlicher Unterschlupf als auch als unverzichtbare Vorratskammer für Wasser oder Eis. Sie haben aber auch die Fantasie der griechischen Schriftsteller beflügelt, die dieses Gebiet mit unzähligen mythischen und legendären Figuren besetzt haben.

Odysseus und Polyphem

In einer dieser Höhlen hat vor langer, langer Zeit der Zyklop Polyphem, ein einäugiger Riese, gemeinsam mit seinen Schafen gehaust. Odysseus, der Held des trojanischen Krieges, kommt auf dem Weg in seine Heimat Griechenland, einer 10-jährigen Irrfahrt durch das Mittelmeer, auch auf Sizilien und beim Ätna vorbei. Er kommt mit seinen Gefährten und mit Wein zur Höhle des Polyphem und erbittet Gastfreundschaft. Doch dieser hält sie für Diebe, sperrt sie in der Höhle ein und verspeist zwei Gefährten zum Abendessen. Da sie selbst den Stein, der die Höhle verschließt, nicht wegrollen können, sitzen sie in der Falle: sie können Polyphem weder töten noch können sie fliehen.

Als Polyphem auch am nächsten Tag zwei Gefährten frisst, ersinnt Odysseus folgende List: er macht Polyphem mit Wein betrunken und als dieser schläft, blenden sie sein Auge mit einem Pfahl. Polyphem wacht voller Schmerzen auf, brüllt und schlägt um sich, kann Odysseus und seine Gefährten aber nicht fassen, weil er nichts sieht.

Am nächsten Tag lässt Polyphem seine Schafe aus der Höhle und tastet dabei alle ab, damit nicht auch die Griechen aus der Höhle freikommen. Diese werfen sich jedoch Schaffelle über, Polyphem hält sie für Schafe und sie entkommen.

Die Griechen fliehen zum Strand und auf die Boote; Odysseus kann es aber nicht lassen vom Schiff aus Polyphem zu verhöhnen. Dieser läuft wutentbrannt zum Strand und schleudert riesige Felsbrocken nach den Griechen, kann sie aber nicht treffen. Diese Felsen sind noch heute in der Bucht von Aci Trezza zu sehen und werden die Faraglioni di Aci Trezza genannt.

 

Faraglione Grande Aci Trezza 768

 

Wer das nicht glauben will, bekommt folgende Erklärung (und lernt dabei auch wie der Ätna entstanden ist).

Die Entstehung des Ätna

Vor ca. 570.000 Jahren befand sich an der Stelle des Ätna eine große Bucht, in welcher vulkanische Aktivität anfing sich zu entwickeln. Die Erdkruste war so „weich“, sodass sehr dünnflüssige Magma (so heißt Lava, welche sich unter der Erde befindet) leicht ausbrechen konnte und viele Krater an verschiedenen Orten bildete bzw. Krater mit geringer Hangneigung formte.

Ein solcher Vulkan wird auch Schildvulkan genannt.

Mit der Zeit hat sich die Bucht gefüllt und die Schichten an harter Lava, ein viel härteres Gestein als das ursprüngliche Material, haben den Ausbruch des darunterliegenden Magmas immer schwieriger gemacht, sodass es in immer zentraler gelegenen Gebieten zu Tage getreten ist, über der Magmakammer des Ätna, wo der große Druck die Erdkruste leichter aufbrechen kann.

Außerdem wurde die Lava immer dichter, sodass sie bei jeder Eruption Schichten von unterschiedlicher Festigkeit und steilere Hänge bildete. So begann sich ein Schichtvulkan (oder auch Stratovulkan) zu entwickeln.

Durch die Analyse der Lava der Faraglioni von Aci Trezza ist es gelungen, die Geburt des Ätna auf vor etwa 570.000 Jahren zu datieren.

Und es gibt noch andere Kuriositäten über die Faraglioni zu erzählen: der säulenförmige Basalt und die unterschiedliche Farbe der Oberfläche einiger dieser Inseln.

Aber beginnen wir von vorne: Das Magma, das die Faraglioni gebildet hat, ist Material, das es nicht geschafft hat die Oberfläche zu erreichen, das sich also im Untergrund wieder verfestigt hat, und zwar sehr langsam, wodurch es in geometrischen Formen kristallisiert ist und die charakteristischen prismatischen Basaltsäulen gebildet hat.

Mit der Zeit hat sich der gesamte Bereich gehoben, der weichere Boden, der die Lava bedeckte, wurde weggespült und so kam der extrem harte Basalt zum Vorschein. Auf einigen Inseln ist jedoch noch eine dunklere obere Schicht sichtbar. Es handelt sich um den Rest des Bodens, der in Kontakt mit der glühenden Lava „gekocht“ wurde und daher gehärtet ist und heute noch Zeuge ist für diese Umwandlung.

Diese kleine Inselgruppe, bestehend aus 4 größeren Felsen und einigen kleinen, wird auch Isole Ciclopi (Zyklopeninseln) genannt und ist jedenfalls einen Besuch wert.

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